Vielleicht ertrug ich die Einsamkeit,
weil ich nicht vermissen konnte,
was ich nicht kannte.
Seite 17
Greifer. So nannte man jüdische Kollaborateure, welche sich mit SS und Gestapo einließen, um ihre eigene Familie zu schützen. Blondes Gespenst trifft es in Stellas Fall besser, denn getarnt als Sängerin und Künstlerin streift sie durch Berlin und ist bei der jüdischen Bevölkerung bald schon genauso gefürchtet, wie die Männer in Uniform.
Der Autor hat es geschafft, eine historische Momentaufnahme zu schaffen, welche den Leser nicht mit ihrer komplizierten Wortakrobatik erschlägt, noch in irgendeiner Form moralisiert oder verurteilt.
Mit Friedrich wird das Buch von einer tragischen Figur gezeichnet, worin für mich der Knackpunkt dieses Buches liegt. Er ist der eigentliche Protagonist und nur durch ihn lernt man Stella überhaupt kennen.
Auch wenn sie eine enorme Faszination auf den leicht zu beeinflussenden Friedrich ausübt, so nimmt Stella in der Geschichte einfach zu wenig Raum ein. Sich hinter dem Umstand zu verstecken, dass es sich um eine fiktive Stella handelt, kann ich dabei nicht gelten lassen, denn eine Romanfigur, die offenkundig einer realen Person nachempfunden ist, kann in den Köpfen der Leser nur bis zu einem bestimmten Punkt fiktiv bleiben. Insbesondere, wenn dieser Mensch so polarisiert, wie es Stella Goldschlag tat und tut.
Ich kannte diese Frau vorher nicht und bin dem Autor daher dankbar, dass er den Mut hatte und mir diese Persönlichkeit vorgestellt hat, auch wenn die Herangehensweise bzw. Umsetzung des Buches in meinen Augen weniger gelungen ist.
Ich persönlich bin auch der Überzeugung, dass es den heutigen Generationen nicht zusteht, eine Person und deren Handlung zu be- oder verurteilen, da wir keine Zeitzeugen sind und die damaligen Lebensumstände nicht nachempfinden können. Doch alle, die Stella Goldschlag unbedingt verteufeln wollen, finden womöglich Gefallen an dem Umstand, dass sie schlussendlich auch an ihrem eigenen Leben gescheitert ist.
Stella von Takis Würger,
erschien 2019 bei Hanser.
224 Seiten
Originalausgabe.
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