Aber vielleicht ist diese Welt doch ein Ort, der den Geringsten wenigstens ein kleines bisschen Glück zugesteht…
Seite 117
Dieser zweite Roman von Jesmyn Ward wird so ruhig und unbefangen erzählt und ist trotzdem unfassbar ungemütlich, da mit jeder Seite Gedanken und Gefühle aufgewirbelt werden, die man als Leser mitunter nur schwer verarbeiten kann.
Der 13-jährige Jojo und seine kleine Schwester Kayla werden von den Großeltern aufgezogen. Ihr Vater Michael sitzt im Gefängnis und ihre Mutter Leonie ist mit sich selbst ebenso überfordert wie mit dem Muttersein.
Als ob diese Verhältnisse nicht schon kompliziert genug wären, erfährt jedes Mitglied der Familie auf verschiedensten Wegen, was Rassismus bedeutet.
Mit allen nur erdenklicken Arten von Ignoranz, Brutalität und Herzlosigkeit wird man konfrontiert und ist dankbar dafür, dass die Autorin in Form einer zunächst unbekannten Erzählperspektive immer wieder kleine Ausflüge ins „Übernatürliche“ macht, welche sowohl dem Buch als auch dem Leser eine Art Anker verleihen.
Sehr klug fand ich außerdem, wie Jesmyn Ward ihren Roman über drei Generationen hinweg keiner zeitlichen Epoche zuordnet und somit still offenbart, wie Fremdenhass und Ausgrenzung heute ebenso präsent sind, wie vor zwanzig, sechzig oder hundert Jahren.
Ferner wird der Umgang mit dem Tod thematisiert und hier wurde gegen Ende des Buches ein Gedanke aufgeführt, der mich persönlich, wie eingangs erwähnt ein wenig überfordert hat. Schlichtweg, weil diese Vorstellung mir einfach zu viel Angst macht. In Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt wird keine groß aufgezogene Geschichte erzählt, sondern Portraits einzelner Figuren gezeichnet, deren Schicksale in Wahrheit für Abertausende stehen.
Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt von Jesmyn Ward,
erschien 2018 bei Antje Kunstmann Verlag.
300 Seiten
Org. ‚Sing, Unburied, Sing‘, 2017 bei Scribner
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