Wenn ein alter Mann und eine alte Frau aus Schnee und Wildniss ein kleines Mädchen heraufbeschworen, was war es dann für sie?
Tochter? Ein Geist?
Seite 109
Für ein Leben in der rauen Wildnis von Alaska und gegen ein geordnetes amerikanisches Kleinstadtleben, dafür haben sich Mabel und Jack vor Jahren entschieden. Mit Farmarbeit halten die beiden sich ehr schlecht als recht über Wasser und die harte, eintönige Realität hat das Paar längst eingeholt. Schon auf den ersten Seiten gewinnt man den Eindruck, dass man es hier mit zwei tieftraurigen Charakteren zu tun hat, die im Begriff sind aufzugeben- ihren Traum von einer Familie in einer abgeschiedenen Hütte im Wald, ihre festgefahrene Ehe und sich selbst.
Doch in der Nacht, während eines schweren Schneesturms bekommen die beiden unverhofften Besuch, welcher sie aus ihrer Melancholie reißt und ihr Leben fortan für immer verändern wird.
Der Autorin ist es meisterhaft gelungen, dem Leser die Umgebung Alaskas näher zu bringen; der Schnee knarzt unter den Füßen und der Geruch von Tannen und Fichten kitzelt in der Nase. Zudem hat Eowyn Ivey einen Balanceakt zwischen Realität und Fantasie geschaffen, in Anlehnung an ein russisches Märchen über ein kleines Mädchen, welches im Wald umherirrt und Zuflucht bei einem alten Ehepaar findet.
Man weiß nicht, wer hier eigentlich wen rettet, denn das Schneemädchen verjagt diese herzzerbrechende Atmosphäre und haucht den beiden Protagonisten neuen Mut ein. Ein geheimnisvolles, stimmungsreiches Buch, welches den Leser am Ende einfach selbst entscheiden lässt, wie viel von alledem Wahrheit sein soll und was der Vorstellungskraft überlassen bleibt.
Das Schneemädchen von Eowyn Ivey ,
erschien 2013 bei rororo
464 Seiten
org. ‚The Snow Child‘, 2012 bei Reagan Arthur Books
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